Testbericht Michelin Power GP2
Dieses Frühjahr habe ich das erste Mal den Michelin Power GP2 aufziehen lassen.
Schon mit den Vorgängern Michelin Power RS, GT und GP habe ich auf der Strasse gute, auf der Rennstrecke aber eher durchzogene Erfahrungen gemacht.
Das Motorrad
Ducati 999s mono, Jahrgang 2003, km-Stand am Start: 19’004
Heisst: Keine Traktionskontrolle, kein ABS
Reifendimensionen:
Vorne: 120/70/17 ZR
Hinten: 180/55/17 ZR
Original wäre 190/50/17, aber das macht die Ducati 999 sehr unhandlich. Darum Empfehlung: Bei der 999 immer auf die 180er gehen.
Den GP2 unterscheidet vom GT die Tatsache, dass der GP2 keine «Taschen» mehr als Negativ-Profil hat, sondern wieder breite Schlitze. Was aber auffällt, ist das der GP2 in der Mitte der Lauffläche einen deutlich geringeren Negativprofil-Anteil hat, während dem dieser aber weiter auf die Flanke zieht.
Am Freitag, 17. Mai, habe ich bei meinem Reifenhändler den GP2 aufziehen lassen.
Und so fuhr ich am 24. Mai 2024 mit jungfräulichem Reifen in Richtung Schwarzwald und Elsass/Vogesen los.
Trocken …
Im Trockenen fuhren wir los und nach Bad Säckingen fuhren wir in Richtung Todtmoos. Die Strasse ist teilweise mit viel Bitumen versehen und schnell fiel auf, dass der GP2 die Neigung hat, den Bitumen-Streifen nachzulaufen. Dies zeigt sich vor allem am Hinterreifen, während dem der Vorderreifen gänzlich unbeeindruckt und ohne den geringsten Zuck die Linie hält.
Das Grip-Niveau ist gewohnt sehr hoch, die Warmlauf-Phase etwas länger als bei seinem Vorgänger. Aber spätestens nach 5 km vermittelt der Reifen brutal viel Sicherheit.
… und dann ab in den Regen
Mittagessen in Todtmoos fertig und keine 20km später beginnt es zu regnen. Regenjacke angezogen (die Verkleidung der 999 schützt so gut, dass man nur noch wasserdichte Schuhe braucht, und man wird auch beim kräftigsten Schauer nicht nass) und weiter in Richtung Freiburg, weil wir uns wegen des Wetters schnellstmöglichst und direkt in’s Hotel begeben wollten. Die ersten Kilometer auf richtig nasser Strasse waren von Vorsicht geprägt, aber dann nahm das Vertrauen von Kilometer zu Kilometer zu. Bald schon war ich wieder in dem Rhythmus unterwegs, den ich von mir im Regen gewohnt bin, auch wenn ich sagen muss, dass systembedingt dieser sich auf der 999 anders anfühlt als auf der Multistrada.
In Freiburg im Breisgau war es dann wieder trocken. Also rauf auf die Autobahn in Richtung Elsass und dann ging’s los:
Ein geradezu apokalyptischer Regenschauer brach über uns ein. Die Autos fuhren selbst nur noch 60 – 70 km/h und die Lastwagen schoben Wellen an Wasser vor sich her, als sie uns mit 80 km/h überholten. Ein Starkregen seltener Güte war das und mit einem Jetski wären wir besser bedient gewesen. Natürlich waren wir langsamer unterwegs, aber der GP2 war absolut unauffällig. Trotz Aquaplaning-Risiko habe ich versucht, den Reifen mit hartem Beschleunigen an die Haftungsgrenze zu bringen … keine Chance.
Nachdem wir aus dem Schlimmsten raus waren (dauerte rund 30 min), bogen wir von der Autobahn ab und nahmen die Landstrassen in Richtung unseres Hotels. Diese waren noch immer nass, später feucht, und die Reifen funktionierten ohne auch nur den geringsten Zuck.
Tags darauf fuhren wir in Richtung Ballon d’Alsace. Im Flachen waren die Strassen trocken, aber an den Flanken der Berge waren die Strassen, speziell im bewaldeten Teil, feucht oder gar nass.
Und obwohl wir nun alle doch deutlich mehr anzogen, waren die Reifen absolut unauffällig.
Dabei hatten 3 Kollegen noch den Michelin GT drauf, wir waren 2 die den GP2 montiert hatten und ein Kollege fuhr sogar den Cup 2 von Michelin montiert hatte. Und selbst bei ambitionierten Tempo beklagte jemand Rutscher. Nur 2x hatte ich einen Rutscher, die aber dem durch den Regen auf die Strasse eingebrachtem Kies und Sand geschuldet war.
Das ging das ganze Wochenende so weiter. Ständiger Wechsel zwischen trocken und richtig nass und die Reifen halten wie eine 1. Und ich wiederhole mich: Wir waren nicht langsam unterwegs.
Der einzige Unterschied, denn wir mit dem neuen Michelin GP2 gegenüber seinen Vorgängern feststellen konnten, war, dass der Vorderreifen nochmals deutlich leichter einlenkt. Die 999 ist nicht als Handling-Monster bekannt, aber mit dem GP2 fällt das Bike von alleine in die Kurve. Auch die Bremsstabilität auf der Vorderhand hat deutlich zugelegt, speziell auf welligem Untergrund.
Die Eigendämpfung ist nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau, Grip haben die Reifen für die Strasse gefühlt ohne Ende. Sogar Nassgrip ist genial, speziell für einen einen supersportlichen Reifen.
Am Montag, 27. Mai, startete das Training in Anneau du Rhin. Das dauerte diesmal 2 Tage.
Dabei sah der Reifen zu Beginn des Trainings wie folgt aus:
Und dabei sieht man bereits beim Hinterreifen (rechts), dass beim Übergang von der harten (mittig) zur weichen (am Rand) Gummimischung, dass der Reifen aufreisst. Das hatte der RS schon richtig heftig so, aber auch der GT, der GP und nun der GP2 haben dieses Phänomen.
Rennstrecke:
Einleitend muss gesagt werden, dass wir in Anneau du Rhin Stints von 20 min alle 20 min fahren. Also: 20 min fahren, 20 min Pause, 20 min fahren, 20 min Pause.
Das führt zu einer harten Belastung des Reifens.
Die nächsten 2 Tage wurde nun der Reifen hinten einigermassen hart rangenommen. Dabei legte ich den Fokus speziell auf das Rausbeschleunigen, da ich mit der 999 Vertrauen aufbauen wollte, um mehr Schwung auf die Geraden mitnehmen zu können.
Hier bestätigen sich die Erkenntnisse von der Strasse. Zusätzlich liess sich herausfahren, dass der Reifen seinen Grenzbereich sehr früh und sehr fein ankündigt. Mit dem Poppo-Meter lässt sich der Reifen wunderbar im Slide aus der Kurve pushen.
Auf der Negativseite bleibt die Tatsache, dass der Reifen auf der Flanke weiter aufreisst.
Vorne zeigt der Reifen Reserven ohne Ende. Der Reifen ist nochmals gut für dieselbe Strecke. Wir reden hier von rund 850km Strasse und 2 Tage Rennstrecke.
Beim Hinterreifen zeigt sich ein differenzierteres Bild. Natürlich ist der Reifen auf der Strasse noch für 1000km gut. Aber auf der Flanke ist der Reifen wieder so aufgerissen, dass der Reifen wieder deutlich abreissen lässt. Somit muss für den nächsten Rennstrecken-Trip ein neuer Reifen her.
Das Aufreissen des Reifens ist Lichtjahre weg vom Verhalten beim RS oder beim GT selig. Aber es ist noch immer da. Und man spürt, wie es am 2. Tag zu nimmt.
Fazit:
Der GP2 hat gegenüber vom GT und dem GP nochmals zugelegt. Die Verbesserungen zum GP liegen ganz klar auf der Handling-Seite und der Bremsstabilität. Gegenüber dem GT ist der GP2 in allen Bereichen klar überlegen.
Die Restprofiltiefe legt nahe, dass Michelin in der Mitte mehr Gummi aufträgt und somit der Reifen länger halten dürfte. Nun sollten rund 1800 – 2000 km drin liegen, wenn man 1,5 oder 2 Tage Rennstrecke einbaut. Beim GP waren es 1400 – 1600 km.
Das für mich störende Phänomen des Aufreissens des Reifens dürfte für alle, die eine Traktionskontrolle haben und diese höher als 2 von 8 (oder 10) Stufen eingestellt haben, kaum vorkommen, weil in den Bereichen, bei denen er bei uns aufreisst, die Traktionskontrolle für feine Leistungsentfaltung sorgen dürfte.
Trotzdem: Der Evo2, der auf dem Slick aufbaut, aber eine ähnliche Laufflächen-Technik verfügt (überlappende Mischungen in unterschiedlicher Stärke), kennt diese Schwäche nicht. Aber der ist auch vor allem für die Rennstrecke gemacht und hat einfach noch eine Strassenzulassung. Und er muss viel umsichtiger warm gefahren werden, auch auf der Rennstrecke, als der GP2.
Was am GP2 wirklich fantastisch ist, ist die Tatsache, dass er über einen genialen Nassgrip verfügt.
Insofern: Der Spagat ist geglückt. Strasse und Rennstrecke unter einem Hut: Check. Wenn nun das Aufreissen noch unterdrückt werden kann, wir das der Reifen, den der Pilot Power einst war: DER Reifen für jede Gelegenheit, der für fast ein Jahrzehnt kaum zu schlagen sein wird.
Beste Grüsse
Sam
P.S.: Wer solche Testberichte im Detail für den RS, GT, GP, aber auch für den Pilot Road 6 will einfach hier melden. Dann stelle ich die auch ein.